Ihre Browserversion ist veraltet. Wir empfehlen, Ihren Browser auf die neueste Version zu aktualisieren.

Auf Social Media teilen

 

Was ist der Personzentrierte Ansatz?

                                                              


Ursprünge und Grundsätze

Der Personzentrierte Ansatz, der auf den amerikanischen Psychologen Carl Rogers (1902–1987) zurückgeht, ist eine Weiterentwicklung aus einer spezifischen Form der Psychotherapie, nämlich der Gesprächspsychotherapie. Bezeichnend für den Personzentrierten Ansatz ist die Grundhaltung des Therapeuten, der keine Versuche unternimmt bezüglich einer Diagnose, Interpretation oder Überredung zu einem bestimmten Verhalten. Der Ansatz lässt sich am besten beschreiben als eine Einstellung, eine Haltung und Seinsweise. Eine wichtige Voraussetzung für dieses Vorgehen ist nicht eine bestimmte Theorie, sondern die Art und Weise mit anderen Menschen umzugehen, die für diese förderlich ist. Es soll so eine Atmosphäre von Wärme, Einfühlung und Verständnis geschaffen werden, die den Gegenüber in die Lage versetzt, durch langsam gewinnende Einsicht in sein Fühlen und Tun, seine eigenen Möglichkeiten zur Lösung seiner Probleme zu aktivieren (Rogers 1987).

Wichtigstes Element des Personzentrierten Ansatzes sind diese wesentlichen drei Basisvariablen und Grundannahmen nach Rogers:

1. Bedingungslose positive Wertschätzung gegenüber des Ratsuchenden. Das Bedürfnis nach bedingungsloser positiver Wertschätzung gehört zu den personzentrierten Grundannahmen über die Natur des Menschen. Die bedingungslose positive Wertschätzung gegenüber dem Klienten (des Schülers, Teilnehmers, Mentee) kann verschiedene konkrete Interaktionsformen annehmen. So gehört das vorbehaltlose Annehmen des vom Klienten Ausgedrückten dazu, das Ermutigen der ratsuchenden oder leidenden Person ist ebenso eine Grundform des bedingungslosen Wertschätzens wie das Ausdrücken von Solidarität mit dem Klienten (J. Finke, 2004).

2. Empathie : Einfühlsames Verstehen der Welt und der Probleme aus der Sicht des Klienten (Schülers, Teilnehmers, Mentee), und die Fähigkeit, diese Empathie dem Klienten zu kommunizieren. Bei der Empathie als generativem Prinzip von hilfreichen Berater-Klient-Interaktionen können verschiedene Formen unterschieden werden. Grundformen der Empathie sind beispielsweise die Wiederholung des Mitgeteilten, die Empathie als Konkretisierung des Gesagten, die Empathie mit Bezug auf das Selbstkonzept des Klienten sowie auch Empathie mit Bezug auf das organismische (haltungsprägende) Erleben des Klienten (J. Finke, 2004).

3. Echtheit/Kongruenz , im Sinne von Authentizität in seiner Haltung (Echtheit, Wahrhaftigkeit gegenüber dem Klienten): Offenes Wahrnehmen des eigenen Erlebens als    Berater, der mit dem Klienten in Beziehung steht. Dieses Offen- Sein schließt auch Echtheit in dem Sinn ein, dass Psychotherapeuten und Berater nicht nur als Fachpersonen ( in unserem Fall als Mentor, Pädagoge oder Kunstvermittler) in Erscheinung treten, sondern auch und besonders als Person sich dem Klienten in der Begegnung zu erkennen geben. Bei der Kongruenz als generativem Prinzip von hilfreichen Berater-Klient-Interaktionen können zum Beispiel verschiedene grundsätzliche Echtheitsformen des Therapeuten unterschieden werden. Echtheit im Sinne von Konfrontation mit dem Klienten, Echtheit im Sinne von Klärung des Beziehungsgehaltes mit dem Klienten und Echtheit/ Kongruenz im Sinne einer Selbstmitteilung des Beratererlebens zuhanden des Klienten (J. Finke, 2004).

Überträgt man die Erkenntnisse des Personzentrierten Ansatzes und seine Gesprächsführung auf die Kunstpädagogik und Kunstvermittlung, so wird ein Klima von Freiheit und Offenheit angeboten und durch Grundhaltungen begünstigt, die von persönlicher Wertschätzung, Einfühlung und Echtheit getragen sind. Der Mentor (Kunstlehrer, Kunstpädagoge, Kunstvermittler, Dozent)  versucht die Aussagen des Mentee  (Teilnehmers, Schülers) mittels behutsamer sprachlicher Kommunikation und sozialer Interaktion zu reflektieren, so dass dessen Gefühle und Gedanken klarer werden und sich nach und nach künstlerische Lösungsansätze herausbilden, die er  von sich aus, selbst erarbeitet. (siehe weiter unten Modell des selbstreferentiellen Lernens, Abb. 1)

Voraussetzung für den Aufbau eines guten Mentor-Mentee-Verhältnisses im Sinne des Personzentrierten Ansatzes ist das Annehmen des Gegenübers so wie er ist. Das heißt, der Mentor ist zu dem Mentee entgegenkommend und bemüht sich durch Zuwendung ohne Vorurteile, Beurteilung und Bewertung eine Atmosphäre der Akzeptanz herzustellen.

Personzentrierte Kunstpädagogik bedeutet auch, die Gefühle des anderen, des Mentee, nachzuempfinden, ohne diese zu bewerten, nur wahrzunehmen. So kann sich der Gegenüber frei von Ängsten und Restriktionen in seinem künstlerischen Denken und Handeln möglichst frei entfalten. Der Mentee soll auch in einer „Beratungssituation“ keine Belehrung empfinden oder gar Kritik. Damit reichen wir ihm die Hand, angstfrei und ohne Abwehrmechanismen über seine Gefühle und Konflikte in Bezug auf seine bildnerische Arbeit zu sprechen. Wirkliches einfühlendes Verständnis muss echt und aufrichtig zum Ausdruck kommen.

Andere Worte und offene Fragen
Der Mentor ist ein guter Zuhörer und bemüht sich aufrichtig um Anteilnahme. Das, was der Gegenüber ihm mitteilt, sollte er in eigenen Worten wiederholen und wenn möglich in offene, rhetorische Fragen wandeln, um sicher zu gehen, dass er ihn verstanden hat. So wird dem Gegenüber die Möglichkeit geboten zu überprüfen, ob das Gesagte mit seinem inneren Gefühl übereinstimmt.

„Die Gesprächsführungskunst besteht darin, seinem Gesprächspartner, der mit Problemen zu ihm kommt, durch bestimmte Formen des Zuhörens und Fragens zu helfen, sich zu öffnen und durch mehr Einsicht in sein Problem und besseres Selbstverständnis selbst eine Lösung seiner Probleme zu finden. Das Zuhören (...) soll den Schüler aufschließen. Wir sprechen deshalb von aktivem Zuhören. Die besondere Art, dem Schüler Fragen zu stellen und auf Einzelheiten seiner Äußerungen einzugehen, nennen wir selektive Reflexion. Beide Methoden verwenden wir nicht nur, um Informationen von ihm zu gewinnen, sondern um ihn bei seiner Selbstfindung und damit bei einer Neuorientierung zu helfen, die letztlich zur Lösung des Problems führen soll. (Dahmer 1992, S. 6, 17)

So kann die persönliche künstlerische Entwicklung des Mentee selbstwirksam fördernd begleitet werden. Der psychische Wachstumsprozess, der sich in und durch die Beziehungen zur Mitwelt vollzieht, ermöglicht es, mehr Vertrauen zu sich selbst zu gewinnen und sich zunehmend eigenverantwortlich entscheiden zu können. (Abb. 1 selbstreferentielles Lernen)



Wirkungen
Wenn wir, die Lehrenden, Mentoren oder Kunstvermittler uns bemühen, personzentriert zu handeln, so können wir Veränderungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen hervorrufen wie

- Verminderung von Angstgefühlen vor Fehlern

- realistische Selbstwahrnehmung und Selbsteinschätzung: Viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene kennen ihre Fähigkeiten nicht, sie über- oder unterschätzen diese.

- Verminderung emotionaler Spannung hinsichtlich quälender künstlerischer und den damit einhergehenden sehr persönlichen Fragestellungen.

- Zunahme emotionaler Ausgeglichenheit, weil man weiß, man ist gut aufgehoben, auf dem richtigen Weg sowie achtend begleitet.

- größere Selbstachtung durch Entgegenbringen von wertschätzendem Verhalten.

- Zunahme spontanen Verhaltens durch angstfreies Ausprobieren und Experimentieren.

- Verwirklichung der Ziele die den eigenen Bedürfnissen entsprechen – nicht weil ein bestimmtes Verhalten von anderen gefordert wird.


Es ist die Grundhaltung und Verwirklichung, die ganz bewusst anstelle von „Methoden“ oder „Techniken“ steht. „Dadurch soll deutlich zum Ausdruck gebracht werden, dass es nicht um die Anwendung technischer Kunstgriffe oder um isoliert erlernbare Methoden geht, sondern dass es sich um einen Zugang in die und in der Beziehung handelt“ (Schmid 1989, S. 119).

Personzentrierte Kunstpädagogik und Kunstvermittlung bedeutet zusammengefasst, der Mentor soll:

- eine warme und angenehme Atmosphäre für das Zusammenarbeiten aller Beteiligter herstellen

- ein gute Zuhörer sein und keine wichtigen Informationen überhören oder ausblenden, andererseits auch keine eigenen Bewertungen oder Gewichtungen der Probleme der Beteiligten vornehmen.

- unbefriedigte Bedürfnisse aller Beteiligten erkennen

- passive Bedürfnisse der Beteiligten  in Aktive umsetzen. Die Beteiligten sollen zum Handeln angeregt werden.

- den Beteiligten behilflich sein, Zielvorstellungen zu entwickeln, die geeignet sind, die Bedürfnisse und Wünsche zu befriedigen.

- keine Ratschläge erteilen, was künstlerische Zielvorstellung der Beteiligten betrifft. Diejenigen, denen Ratschläge gegeben werden, können nicht selbständig entscheiden und handeln. Ratschläge verbessern den zukünftigen Umgang mit künstlerischen Konflikten nicht

- ausgehend von den Zielvorstellungen  die Beteiligten dazu anregen,  Handlungspläne auszuarbeiten.